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Unter Spesenrittern

Liebe Weinfreundin, lieber Weinfreund,

zu Beginn dieser kleinen Kolumne möchte ich gleich ein Geständnis ablegen: Ich bin Biertrinker. Das mag zum einen daran liegen, dass ich aus Deutschland stamme, dem Land, das neben der Kraftdroschke der Herren Daimler und Benz auch jenen unvergleichlichen, noch heute nach dem Reinheitsgebot gebrauten, güldenen Trunk hervorgebracht hat,  dem schon die alten Germanen auf ihren „after-work-parties“ heftig zusprachen; zum anderen daran, dass die Vielfalt der verschiedenen Weinsorten meine intellektuelle Leistungsfähigkeit stets überfordert hat. Riesling, Chardonnay, Bordeaux, Burgunder, Gewürztraminer: für mich alles böhmische Dörfer.  Ich bin schon froh, Weiß- von Rotwein unterscheiden zu können. Nun werden Sie sich fragen: Warum um alles in der Welt hat der Betreiber dieser ansonsten doch für ihre fachliche Expertise in Sachen Rebensaft bekannten Webpage ausgerechnet einen deutschen Biertrinker gebeten,  fortan in regelmäßigem Abstand einige salbungsvolle Worte an Sie, die geschätzten Besucherinnen und Besucher von www.elloinos.com, zu richten? Und noch dazu in Deutsch! Die Antwort auf diese berechtigte Frage muss ich schuldig bleiben. Einzig, was die Sprache angeht, kann ich Ihnen die Gedankengänge des Seitenbetreibers  erklären: Meine Englischkenntnisse sind ungefähr so fundiert wie die eines Horst Schlämmer. Oder eines Berti Vogts. Kurzum: niemandem zumutbar.  So werde ich Ihnen nun also künftig an dieser Stelle in der Sprache der Dichter und Denker die ein oder andere Geschichte rund um die Themen  „Wein, Weib und Gesang“ erzählen und hoffe damit trotz meiner Unkenntnis in Sachen Rebensaft Ihr Interesse zu wecken.

Dass eben jene Unkenntnis bisweilen kostspielige Konsequenzen haben kann, durfte ich erfahren, als ich vor einigen Jahren mit Kunden einen bunten Abend in einem Szenelokal meiner Heimatstadt verbrachte. Sie müssen nämlich wissen: Ich bin Vertreter von Beruf, eine Art Handlungsreisender, Salesmann – kurzum: Klinkenputzer. Und als solcher weiß ich, dass nichts guten Beziehungen zur Kundschaft förderlicher ist als ab und an bei exquisitem Essen, noch besserem Wein und schwummerigen Kerzenlicht mit seinen Geschäftspartnern zusammen zu sitzen und über Gott und die Welt zu plaudern. Und so kam es, dass ich eines Abends aufbrach, um zwei meiner Kunden in einem Gastrotempel zu bewirten, der zu jener Zeit in aller Munde war und in dem jeder – glaubte man einschlägigen Kritiken – unbedingt einmal gewesen sein sollte. Schon beim Anblick der vor der Türe parkenden Nobelkarossen hätte ich mir denken können, dass ein Abendessen in diesem für seine asiatische Küche gerühmten Lokal meine Brieftasche bis zum Äußersten strapazieren würde. Doch mit der mir eigenen Naivität schritt ich – nichts Böses ahnend wie dereinst das Rotkäppchen beim Besuch der vermeintlichen Großmutter – durch die Pforte des In-Schuppens, wo mich sogleich die im Licht der Kerzen gülden schimmernden Rüstungen der ortsbekannten Spesenritter mit ihrem sanften Schein begrüßten. Nach einer Runde Champagner an der Bar postierte ich mich in der gebotenen Demut vor einer kanzelartigen Erhebung, auf der eine kühle Schönheit über das Reservierungsbuch wachte, und wartete geduldig darauf, dass jene Herrscherin über Tische und Stühle mir und meinen Gästen eine Sitzgelegenheit zuweisen würde.  Kaum hatten wir Platz genommen, konnte ich schon die Vorzüge der sagenhaft zentralen Lage unseres Tisches erkennen, ermöglichte uns diese zentrale Lage doch, nicht nur alle Kellner des Lokals auf dem Weg von der Küche zu den Gästen vor, hinter und neben uns vorbei huschen zu sehen, sondern zugleich auch alle Besucher des Restaurants persönlich kennen zu lernen – zumindest die, die ein dringendes Bedürfnis verspürten und deshalb in steter Folge durch die in unmittelbarer Nähe gelegene Toilettentür sprengten. 

Meiner oben bereits hinlänglich beschriebenen Unkenntnis in Sachen Wein war es nun geschuldet, dass ich die Auswahl desselben den Gästen überließ. Und so kam es, dass wir zur Vorspeise zunächst eine Flasche Riesling aus der Region leerten und uns zum Hauptgang einen italienischen Rotwein entkorken ließen. Der „98er Barolo“ erwies sich dabei als gute Wahl, denn kaum hatte der Kellner, dessen Augen angesichts unserer Bestellung schon merkwürdig glänzten, den letzten Tropfen der Flasche eingeschenkt, hörte ich mich schon „Bringen Sie gleich noch eine!“ rufen und fand damit bei meinen Gästen großen Zuspruch. Noch mehrmals stieg der weiß Beschürzte so an jenem Abend in den Keller, um noch eine weitere Flasche des Barolo aus der Düsternis ihres klammen Kerkers zu befreien, uns erst einzuschenken und mir anschließend auf die Rechnung zu setzen.  Ich glaube, ich muss nicht gesondert erwähnen, dass die Stimmung dem Wein angemessen war: einfach formidabel. Allerdings nur so lange, bis ich nach drei abschließenden Gläsern Cognac und den obligatorischen Zigarren nach eben jener Rechnung fragte, auf der sich neben dem Essen bereits die drei Gläser Champagner, die Flasche Riesling und vier der oben erwähnten Flaschen Rotwein tummelten. Schlappe 1.400 Euro standen am Ende jenes bunten Abends zu Buche, wobei – Sie ahnen es schon – das Essen mit 200 Euro noch den geringsten Teil jener saftigen Zeche ausmachte.  Geht man davon aus, dass der Schampus 15 Euro pro Glas und die Flasche Riesling 80 Euro gekostet hat – ich erinnere mich nicht mehr so genau – , rechnete der Wirt für den italienischen Tropfen also schlanke 270 Euro pro Flasche ab, was selbst mir, dem Weinunkundigen ein wenig hoch erschien. Doch was – so dachte ich mir, nachdem ich am nächsten Tag mit schwerem Schädel von meinem Nachtlager erwachte – sind schon 1.400 Euro gegen die einmalige Gelegenheit, Teil eines Naturphänomens mit einer noch geringeren Wahrscheinlichkeit als der eines „6-ers“ im Lotto zu sein? Was ist Geld, der schnöde Mammon, gegen die Erfahrung, mitten in einem Lokal beim Anblick einer Rechnung vom Blitz getroffen zu werden?

Mit dieser fast schon philosophisch zu nennenden Erkenntnis verbleibe ich bis zum nächsten Mal herzlichst als Ihr

Engelo

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